Während am 26. August 1992 in London die Friedenskonferenz über das ehemalige Jugoslawien die Gespräche zum Schutz der Menschenrechte aufnahm, ging in Sarajevo die historische Kulturstätte, die Vijećnica, die gleichzeitig die Funktion der National – und Universitätsbibliothek von Bosnien und Herzegowina innehatte, in Flammen auf. In der Nacht vom 25. auf den 26. August wurde sie durch einen gezielten Artilleriebeschuss, der von mehreren Stellungen der bosnisch-serbischen Armee (Vojska Republike Srpske) abgefeuert wurde, in Brand gesetzt. Etwa eine halbe Stunde nach Einbruch der Dunkelheit durchschlug ein Sperrfeuer von Brandgranaten das Dach und setzte die Bücherregale in Brand. Der stellvertretende Direktor der Bibliothek, Dr. Fahrudin Kalender beobachtete aus seiner Wohnung das Inferno, und sah, wie mehrfach Phosphorgranaten auf dem Dach landeten und Funken versprühten, bis das Gebäude in Flammen aufging. Ein wiederholter Beschuss fachte das Feuer immer weiter an. [1]

Das Bibliothekspersonal, die Feuerwehrleute und freiwillige Bürger, unter ihnen der noch im ehemaligen Jugoslawien bekannte Schauspieler Josip Pejaković, bildeten eine Menschenkette, um Bücher aus dem brennenden Gebäude zu retten und das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Kurz vor dem Angriff war die Wasserversorgung in der Stadt von den Belagerern unterbrochen worden, sodass sie Wasser aus dem nahegelegenen Fluss Miljacka schöpfen mussten. Während dessen wurden sie ständigem Beschuss von Mörsergranaten und Heckenschützen ausgesetzt. Als die Flammen bei Morgengrauen zu erlöschen begannen, wurde der Beschuss auf das Gebäude erneut aufgenommen. Mehr als 40 Granaten wurden auf die Vijećnica / NUBBuH abgefeuert. Sie brannte drei Tage lang! Basierend auf eigener Feldforschung und in seiner Funktion als Experte für die Kriegsverbrecherprozesse am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stellte András Riedlmayer unter anderem fest, dass die Vijećnica, bzw. die Nationalbibliothek gezielt unter Beschuss genommen wurde. Die anderen umliegenden Gebäude sind unversehrt geblieben. [2]

Von etwa drei Millionen Bänden verlor die Bibliothek fast 90 Prozent ihres Bestandes. Die zahlreichen Handschriften- und Raritätensammlungen, sowie bedeutende Archivalien und Manuskripte wurden zerstört. Auch ein Großteil der kartografischen, musischen und grafischen Sammlung fiel dem Brand zum Opfer. In ihrer Funktion als Universitätsbibliothek besaß sie auch eine Dissertationssammlung des ehemaligen Jugoslawiens, die ebenfalls in den Feuerflammen für immer vernichtet wurde. Drei Bibliotheksmitarbeiter befanden sich während des Beschusses im Gebäude, von denen eine, die Bibliothekarin Aida Buturović, getötet wurde.[3]

Dass die Vijećnica / NUBBuH kein Kollateralschaden war, sondern systematisch zerstört wurde, wie viele andere religiöse und kulturelle Objekte in Bosnien-Herzegowina und in der Stadt Sarajevo, zeigt sich in dem Umstand, dass die Belagerer einige Tage vor dem Beschuss die Wasserversorgung in der Stadt unterbrochen haben. Dieser Umstand wird mit der folgenden Aussage des bosnisch-serbischen Generals und verurteilten Kriegsverbrechers Ratko Mladić bekräftigt: „We should not say: we will destroy Sarajevo, we need Sarajevo. We are not going to say that we are going to destroy the power supply pylons or turn off the water supply, no, […] but gentlmen, please, fine, well, one day there is no water at all in Sarajevo. […] we have to wisely tell the world, it was they who were shooting […] they were shooting at the water supply facilities […] that is what diplomcy is.“ [4]

Diese Art von „diplomatischer“ Kriegsführung lässt sich auch aus den Äußerungen des Serbenführers Radovan Karadzić erkennen, als er in einem Interview auf die Frage, wer für die Bibliotheksbrandstiftung verantwortlich sei, die Verantwortung eindeutig den Muslimen zuweist, weil ihnen, wie er sagt, die österreich-ungarische Architektur nicht gefalle.[5]

Diese Manipulationstechniken mit kontinuierlicher Aussendung von Fehlinformationen bis hin zur Leugnung und Verdrehung von Tatsachen und Hassverbreitung waren in den Jugoslawienkriegen auf der Tagesordnung und reichen sogar bis in die Gegenwart hinein. Sie lassen sich in die lange Liste der eingesetzten Instrumentarien einordnen, mit denen die serbische Führung in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der „ethnischen Säuberungen“ ihre ideologisch-strategischen Ziele umzusetzen versuchte. Obwohl die Frage des kulturellen Völkermordes und der Verantwortung für die Kriegsverbrechen am Kulturerbe und somit auch an der Vijećnica, bzw. der National- und Universitätsbibliothek in Sarajevo nicht weiter erörtert und hier ausgeklammert wird, erscheint es notwendig anhand dieser an Karadzic gerichteten „Schuldfrage“ zu zeigen, welche umfangreichen Methoden und Strategien zum Repertoire der bosnischen- serbischen Kriegsführung gehörten.

Unter dem Leitmotiv Was verlieren wir, wenn wir eine Bibliothek verlieren? wurde auf einer Konferenz der Universität Leuven im Jahr 2015, anlässlich des hundertsten Jahrestages der Zerstörung ihrer Bibliothek zu diesem Thema diskutiert. Thesen und Synthesen wurden aufgestellt, Bedeutungen formuliert und nach Antworten gesucht. Eine mögliche Antwort kann möglicherweise dem Aufsatz einer betroffenen Bibliothekarin in Sarajevo, Munevera Zećo entnommen werden, die ihre Erinnerungen an den schicksalhaften Tag der Zerstörung der Vijećnica / NBBuH so festgehalten hat: „By the morning of August 27 the library and its books, the great cultural and historical treasure of Bosnia and Herzegovina and its people, had vanished. On becoming aware of this new misfortune that befell the city, the inhabitants of Sarajevo, although already weakened by hunger and the personal tragedies that had befallen them, rushed to save the cultural heart of their city-their Vijecnica. […] The next day the sky was dark with smoke, while across the city, pages and small bits of burned books sailed through the air. Burning paper could be smelled throughout the city. Inhabitants of Sarajevo were in shock.“[6]

Es ist die Betroffenheit und die Bestürzung der Bürger über das Ausmaß dieses barbarischen Aktes. Mit der vorsätzlichen Zerstörung und dem Verlust der Bibliothek wird nicht nur das architektonische Gebäude in seiner Visualität beklagt. Vielmehr geht es um die Symbolik und die metaphorische Bedeutung, wofür diese Kulturstätte steht. Der Führung der bosnischen Serben ging es nicht darum, lediglich das Gebäude zu zerstören und nur visuell das Stadtbild zu verändern. Die Absichten, Ziele und Motivation für die systematische Destruktion greifen tiefer. Sie betreffen das menschliche Bewusstsein und die kollektiven Identitäten.

In Augenblick der Bibliothekszerstörung waren die Bürger von Bosnien und Herzegowina und die der Stadt Sarajevo gleich in doppelter Hinsicht ihres Erbes beraubt; Zum einen war die symbolträchtige Vijećnica, die durch die Habsburger Monarchie errichtet wurde, zum Wahrzeichen der Stadt geworden. Zum anderen verkörperte die darin beheimatete National- und Universitätsbibliothek den Beweis einer jahrhundertalten, traditionsreichen gemeinsamen Geschichte der bosnischen Christen und der Muslime. Beides formt und definiert die identitären Kollektive. Mit dem Verlust dieser beiden Zeugnisse wird die historische Kontinuität, die Geschichte und die multikulturelle Identität Bosniens zerstört und unterbrochen. Es droht die Gefahr des Verlustes einer kollektiven Erinnerung. 

Der moderne und kosmopolitische Geist von Sarajevo und die multikulturelle Vielfalt fügten sich nicht in die großserbischen Pläne und ihre Geschichtsdeutung ein und sollten zu Gunsten eines monoethnischen Territoriums und einer neuen Historiografie verändert werden. Der exklusive Nationalismus, der als Katalysator zum ideologisch und politisch motivierten Konflikten emporstieg, führte dazu, dass Bücher und die Nationalbibliothek zum Schlachtfeld wurden, auf dem kollektive Gedächtnis- und Identitätssysteme ausgetragen wurden und Geschichte neu definiert werden sollte.

 

 

Quellen:

  1. Riedlmayer J. András: Crimes of War, Crimes of Peace: Destruction of Libraries during and after the Balkan Wars of the 1990s. In: Library Trends 56 (2007), S. 107–132, hier S. 110.
  2. Riedlmayer J. András: The Destruction of Cultural Heritage in Bosnia-Herzegovina, 1992-1996. A Post-war Survey of Selected Municipalities. In: Forum Bosnae 46 (2008), S. 146-173, hier S. 162.
  3. Riedlmayer: Crimes of War, S. 112.
  4. Mladic, Ratko bei der 16. Versammlung der Republika Srpska vom 12. Mai 1992, In: Donia, J. Robert: Iz Skupstine Republike Srpske 1991-1996. Izvodi iz izlaganja poslanika Skupstine Republike Srpske kao dokazni materijal na Medjunarodnom Krivicnom Tribunalu u Hagu. Sarajevo, Tuzla 2012, S. 174-175.
  5. Karadzic, Radovan: Interview mit Global Perspectives am 2. September 1992, In: URL: http://heritage.sensecentar.org/assets/sarajevo-national-library/sg-3-04-karadzic-interview.pdf, (aufg.25.08.2022).
  6. Zećo, Munevera: The National and University Library of Bosnia and Herzegovina during the Current War. In: The Library Quarterly: Information, Community, Policy ,66 (1996), S 294-301, hier S. 297.

 

 

Die Stadt ist der Kristallisationsort von Mythos und Logos, Ethnos und Demos, zivilisatorischer Entwicklung von Gesellschaften. So erweist sich in der Geschichte und heute, vom Rande Europas her, erneut die Zerstörung der Stadt als die Zerstörung des Gedächtnisses der Kultur, der Erinnerungen der Menschen, der zivilen Formen und Werte des Zusammenlebens.“[1]

 

Bis zum Kriegsausbruch im Frühjahr 1992 erlebte die bosnische Hauptstadt Sarajevo eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Metamorphose. Von einer Provinzstadt im osmanischen Vilayet, einem Verwaltungszentrum in der Habsburgermonarchie und als Hauptstadt der Sozialistischen Föderativen Republik Bosnien und Herzegowina (SRBiH) war Sarajevo zu einem urbanen, kosmopolitischen Herz des damaligen Jugoslawiens geworden. Nicht zuletzt waren die Olympischen Winterspiele im Jahr 1984, als die ganze Welt nach Sarajevo blickte, ein Zeichen für den modernen und interkulturellen Geist der Stadt. Weniger als ein Jahrzehnt danach, rückte Sarajevo wieder ins Zentrum der Weltöffentlichkeit. Diesmal allerdings, um einem vandalischen Akt der Menschheitsgeschichte Zeuge zu werden.

Analog dem Vandalismus an Kultur, Bücherverbrennungen und Bibliothekszerstörungen, die eine lange Geschichte und Tradition besitzen, lassen sich Stadtmorde und Städtezerstörungen ebenfalls in die lange Liste dieser Gewalttradition einreihen. Auch die Motive der Zerstörungen sind identisch. Von der Ära des Stadtstaates in der griechischen Polis bis ins 21. Jahrhundert hinein, gehören Stadtzerstörungen zum festen Merkmal kriegerischer Auseinandersetzungen. In seinem Werk über Architektur, Krieg und Erinnerung skizziert Robert Bevan die antiken Muster der Stadtzerstörungen und stellt fest, dass die Städte selbst oft das Ziel waren, weil sie „the locus of power, the economy and religious identification[2] seien. In seiner literarischen Auseinandersetzung über Städtezerstörungen und rituelles Städtemorden, hält der serbische Architekt und Essayist Bogdan Bogdanovic ebenfalls fest: „[…] seit es Welt und Ewigkeit gibt, werden Städte zerstört im Namen ‚fester Überzeugungen‘ und gemeißelter, höherer, höchster, strengster Moralnormen, im Namen von Glauben(s), -Klassen- und Rassenordnungen.“[3] Im Namen dieser Überzeugungen wurde Sarajevo, als einstiges Zentrum der multikulturellen, multiethnischen und multikonfessionellen Vielfalt in Bosnien-Herzegowina während der Stadtbelagerung zwischen April 1992 und Februar 1996 zum Schauplatz einer, durch täglichen Granatenbeschuss und Heckenschützen, barbarischen Terrorisierung der Stadtbevölkerung.

Die Belagerung begann am 5. April 1992, einen Tag vor der offiziellen Anerkennung Bosnien-Herzegowinas durch die internationale Gemeinschaft. Dass sie noch vor dem offiziellen Kriegsbeginn längerfristig geplant und vorbereitet wurde, deutet lt. dem Historiker Holm Sundhaussen vieles darauf hin.[4]  Die verstärkte Präsenz der JNA rings um die Stadt, die Anlage von Schützenstellungen an den umliegenden Berghügeln, getarnt als Übungen, dass einige Serben nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen sind oder die Stadt vor dem Kriegsbeginn verlassen, all dies seien als Anzeichen für eine Kriegsvorbereitung und Stadtbelagerung zu deuten.[5] Die von der serbischen Führung formulierten „sechs zentralen strategischen Ziele“,[6] die der Serbenführer Radovan Karadzic im Mai 1992 der Versammlung der „Republika Srpska“ offiziell vorstellte, stützen diese Annahmen. Daraus geht deutlich hervor, dass eine territoriale, institutionelle und vor allem, um es mit Robert Donias Worten auszudrücken „humane“[7] Aufteilung Bosnien – Herzegowinas die primären Ziele des großserbischen Projekts sind. Die Hauptstadt Sarajevo wurde unter dem „fünften Ziel“[8] definiert, das eine zentrale Rolle bei der Segregation des Landes einnehmen sollte.[9] Dieses Ziel sah, lt. Karadzic vor „division of the city of Sarajevo into Serbian and Muslim parts and implementation of an effective state government in each of these two constituent states.[10] Er führt weiterhin aus, dass die Kämpfe in und um Sarajevo taktisch und strategisch am wichtigsten seien, denn solange Sarajevo in serbischer Hand ist, könne Alija Izetbegovic, der bosnische Präsident, keinen funktionierenden Staat bilden.[11] Obwohl namentlich taktische und strategische Ziele formuliert wurden, werden hiermit die politischen und ideologischen Ziele der großserbischen Politik identifiziert; Im Namen des exklusiven Nationalismus die Aufteilung Bosnien und Herzegowinas, die Aufteilung der Stadt Sarajevo und die Errichtung eines ethnisch homogenen Territoriums als „Republika Srpska“.

Die Belagerung der Stadt dauerte 1425 Tage, am 29. Februar 1996 wurde sie für beendet erklärt. Während dieser Zeit wurden die Menschen in der Stadt von der Außenwelt abgeschnitten und nur durch die, von der NATO errichteten Luftbrücke und den im Jahr 1993 fertiggestellten Tunnel versorgt. In dieser ersten von drei Phasen der „ethnischen Säuberungen“ an Kulturgut, waren sowohl die Anwohner Sarajevos als auch die städtische Infrastruktur und das Kulturerbe einer systematischen Gewaltanwendung ausgeliefert. Neben Hunger und Kälte, wurden die Bürger täglichen Angriffen der Artillerie- und Panzerbeschuss ausgesetzt. Im Durchschnitt schlugen 329 Granaten in der Stadt ein, am 22. Juli 1993 wurden sogar 3777 Granateneinschläge gezählt.[12] Außerdem wurden die Bewohner kontinuierlich und machtlos den Heckenschützen ausgeliefert. Strom, Wasser und Gasversorgung wurde in der Stadt unterbrochen und die sämtliche Infrastruktur lahmgelegt. Die Rundfunkhäuser, zahlreiche öffentliche Gebäude sowie das Krankenhaus wurden zerstört. Einen unermesslich großen Schaden erlitt der historisch gewachsene, multikulturelle Stadtkern die Bascarsija.  In einem Mitteilungsblatt der Staatlichen Kommission für die Erfassung von Fakten zu Kriegsverbrechen vom Februar 1994 wird darauf explizit verwiesen. Hieraus wurde deutlich, dass die Angriffe nicht nur die militärischen Objekte der Gegenseite zum Ziel haben, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung, die Muslime und bosnische Kroaten, sowie gegen ihre religiösen und kulturellen Objekte gerichtet sind.[13]

Die Analyse der Kulturgutzerstörungen in Sarajevo lässt eine Auswahl der serbischen Ziele erkennen. Als Experte für die Kriegsverbrecherprozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (ICTY) recherchierte und publizierte András Riedlmayer, der Orientalist und Philologe von dem Aga-Khan Institut der Harvard University, zu Zerstörung des Kulturerbes in Bosnien und Herzegowina. Die Ergebnisse und Analyse seiner Recherchen und Publikationen[14] lassen eine genaue Auswahl der serbischen politischen und ideologischen Ziele erkennen. Der serbischen Führung ging es offenbar darum, jegliche Präsenz der katholischen Bosnier und Muslime in der Stadt auszulöschen. Zu diesem Zweck wurden gezielt und ohne jede militärische Notwendigkeit die historischen und religiösen Kulturstätten unter Beschuss genommen und vernichtet. Zahlreiche Moscheen und katholische Kirchen als religiöse Symbole der ethnischen Gruppen wurden zerstört. Das bedeutende Orientalische Institut in Sarajevo, mit seinen vollständigen Sammlungen, fiel im Mai 1992 einem gezielten Angriff zum Opfer. Unter den Verlusten befanden sich osmanische Provinzarchive und Katasterregister, die den Grundbesitz in Bosnien-Herzegowina am Ende der osmanischen Zeit dokumentieren, sowie weitere seltene islamische Handschriften. Viele der Handschriften waren einzigartig in ihrer Bedeutung und sind das Ergebnis von fast fünf Jahrhunderten bosnisch-muslimischer Kulturgeschichte. Diese Dokumente haben für die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina identitätsstiftenden Charakter und sind für die Erforschung der traditionsreichen Geschichte des Landes unverzichtbar. Riedlmayer berichtet, dass lt. Aussagen von Augenzeugen das Orientalische Institut mit Brandbomben beschossen wurde, die von den Stellungen auf den Hügeln abgefeuert wurden. Andere Gebäude wurden dabei nicht getroffen. Demzufolge wurde das Orientalische Institut zielgerichtet ausgesucht und zerstört.[15] Auch weitere Archive und Bibliotheken in der Stadt, die in ihrer Bedeutung und Funktion als Konservatoren der kulturellen Identität, der Erinnerung, des Wissens und der Wahrheit, dieses kulturelle Erbe an die nächsten Generationen tradieren, wurden, um sich der Terminologie des, durch die Französische Revolution geprägten Begriffes vandalisme zu bedienen, barbarisch vernichtet.

Die Gewalt gegen die Kultur in Bosnien-Herzegowina und in Sarajevo, die letztendlich gegen die Menschen, die sie repräsentierte gerichtet war, hätte unter rechtezeitigem Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft gegen diese Gewalt möglicherweise vermieden werden können. Eine weitere Kontinuität zum Völkermord, wie dies in Srebrenica im Juli1995 geschah, wäre womöglich ausgeblieben. Um mit den Worten von Heinrich Heine abzuschließen: „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“

 

[1] Bogdan Bogdanovic: Die Stadt und der Tod. Essays. Klagenfurt, Salzburg 1993.

[2] Bevan: Destruction of memory, S. 31.

[3] Bogdanovic: Die Stadt und der Tod, S. 35.

[4] Sundhausen: Sarajevo, S. 325-326.

[5] Ebd.

[6] Donia: Iz skupstine Republike Srpske, S. 52-55.

[7] Ebd.: S. 236.

[8] Ebd.: S.54-55.

[9]Vgl. dazu auch Robert J. Donia: Bosnian Serb Leadership and the Siege of Sarajevo, 1990-1995,In:URL:https://www.academia.edu/42714116/Bosnian_Serb_Leadership_and_the_Siege_of_Sarajevo, (aufg.15.01.2022).

[10] Donia: Iz skupstine Republike Srpske: S. 55.

[11] Ebd.

[12] Sundhaussen: Sarajevo, S. 326-327.

[13] Sundhaussen: Sarajevo, S. 326-328, Calic: Krieg und Frieden: 109-110.

[14] Siehe vollständiges Literaturverzeichnis.

[15] Riedlmayer: The Destruction of Cultural Heritage in Bosnia-Herzegovina, S. 161.