„Der schlanke steinerne Schatten, die Replik des himmlischen Regenbogens, Meisterwerk des Baumeisters Hajrudin, eine der schönsten und edelsten architektonischen Allegorien, ist dahingegangen auf den Grund des Flusses. Der Stadt, geboren im Zeichen der Brücke, entrissen wurde ihr erstes und letztes Wort, und ihr Tod ist, so fürchte ich, unwiderruflich.“[1] Ähnlich wie Bogdanovic empfand auch der kroatische Franziskaner – Pater Daniel, als er sagte „Der Tag, an dem die alte Brücke zerstört wurde, war der Todestag unserer Stadt. […] Als sie fiel, war das Herz der Stadt Mostar zerstört.“[2]

Bevor nach den identitätsstiftenden Strukturen gesucht wird, die als Konsequenz aus der Brückenzerstörung herausgegangen sind, soll zunächst die Unterscheidung zwischen der Zerstörung und dem Tod einer Stadt geklärt werden. Der Historiker Bogdanovic, als er nach der Unterscheidung gefragt wurde, fasst dies wie folgt zusammen: „[…] Eine Stadt die ‚nur‘ zerstört ist, also nur niedergelegt ist, wird sich irgendwie wieder sammeln. Sie wird, dermaleinst, ihre physischen und gei­stigen Konturen wiederfinden; […] Aber- fügte ich zögernd hinzu, es muss eine Grenze der Zerstörung geben […].“[3]

Die Alte Brücke in Mostar lässt sich zweifelsohne als das Herzstück der Stadt ansehen. Ursprünglich nur aus strategischen Gründen gebaut, verband sie fast fünf Jahrhunderte Flussufer der Neretva und galt als Symbol für die multikulturelle Gesellschaft von Mostar und Bosnien und Herzegowina. Ihre Bedeutung zeigt sich auch im Namen, den sie der Stadt gab, sowie in der Mythen- und Legendenbildung, mit denen sie umgeben und verwachsen ist. Während Europa am Anfang der 90-er Jahre sich annäherte und die Berliner Mauer als Trennwand zwischen West – und Ostdeutschland am 9. November 1989 ‚fiel‘, ‚fiel‘ die Alte Brücke am 9. November 1993 in Mostar und symbolisierte die Trennung der Stadt und den Kulturen.[4] Mit der Zerstörung der Brücke wurden nicht nur die Stadt und die Menschen getrennt, es kam auch zur Spaltung der Identitäten. Der Angriff auf die Brücke wurde von den bosnischen Muslimen als Angriff auf die bosnische Kultur und Tradition angesehen.[5] Diese Diskussion wurde aufgeworfen, nachdem die Kroatische HVO die Brücke bombardierte, während sie für die Serben offensichtlich kein exklusives muslimisches Identifikationsmerkmal war. Es ist noch unklar, ob die HVO die Brücke zerstörte, weil sie mit ihr die muslimische Identität verbindet.[6] Fest steht allerdings, dass die Zerstörung der Brücke die multikulturelle Gesellschaft in Mostar entzweite, und neue Identitätsmustern konstruierte. Orthodoxe Serben leben kaum noch in Mostar, und bosnische Kroaten und Muslime teilen sich die Stadt. Durch diesen Akt der Zerstörung, wurden Mostar und die Bürger in zweifacher Hinsicht verändert. Zum einen, verlor die Stadt ihr Wahrzeichen. In ihrer visuellen und geografischen Form, war die Brücke nicht mehr vorhanden. Zum anderen, verlor sie die Verschmelzung ihrer Bürger und die Multikulturalität, wofür sie in der Region repräsentativ stand. Die metaphorische Bedeutung der Brücke als Verbindung von Menschen und Kulturen, aber auch als mögliche Trennung darzustellen derselben, lässt sich hierbei gut veranschaulichen. Wo ursprünglich eine Verbindung existierte, wurde in der Wahrnehmung der Bürger zur Trennwand.  Daraus sind neue Identitätsmuster entstanden, aus einem „wir“, wurde „wir und die anderen“. Diese territoriale und metaphorische Trennung der Stadt, veränderte das individuelle Gedächtnis und trägt zur Bildung einer neuen kollektiven Erinnerung bei. Diese neue Identitätskonstruktion schuf einen zweiten Erinnerungsort. Einen Erinnerungsort der Sieger und Verlieren, der Täter und Opfer.  Auch wenn sie unterschiedliche Sichtweisen vertreten und auf unterschiedlichen Seiten des Flusses leben[7], in ihrer Leidensgeschichte sind die Bürger von Mostar verbunden. Unabhängig von der Ethnie oder Religion, gilt es an ein Verbrechen zu erinnern, dieses zu verarbeiten und in der Geschichte einzuordnen. Die Bedeutung der Brückenmethapher innerhalb der Erinnerungskultur diskutiert die amerikanische Historikerin Emily Gunzburger – Makas.[8] Einerseits bedarf es nicht der Visualisierung eines Objektes, denn seine methaphorische Bedeutung hält die Erinnerung am Leben.  Andererseits erleichtert die physische Wahrnehmung des Objekts den Erinnerungsprozess und schützt vor dem Vergessen. Die Gefahr war zu groß, dass die Vielfalt der bosnischen Gesellschaft, wofür auch Mostar und die Alte Brücke standen, in Vergessenheit geriet, deshalb war die Rekonstruktion der Brücke wichtig.[9] Die methaphorische Bedeutung der Alten Brücke war nach ihrem Zerstören zu groß, um die Stadt als „tot“ zu bezeichnen. Auch nachdem sie physisch nicht mehr vorhanden war, die Erinnerung an sie und ihre durch Jahrzehnte tradierte Geschichte war lebendig. Die Gesellschaft von Mostar ist zwar geografisch getrennt und religiös entzweit, aber in der Erinnerung an die Zeit vor dem Krieg und die Zerstörung ist sie verbunden. An diesem Punkt ließe sich die Unterscheidung zwischen „Zerstörung“ und „Tod“ der Stadt festmachen und eine Grenze ziehen. Der historische Stadtkern und die Alte Brücke wurden physisch zerstört, aber die kollektive Erinnerung der Gesellschaft, die durch die individuellen Erfahrungen eines jeden Mostarer, unabhängig von der Ethnie oder Religion geprägt ist, war ihre Rettung. Die Gewichtung der Erinnerungskultur an die Alte Brücke unterstreichen auch die Worte des damaligen Bürgermeisters und  Hauptverantwortlichen für ihren Wiederaufbau, Safet Orucevic, der sagte: „[…] It will symbolize the union of a people and [the] indestructibility of the idea of a shared life between different cultures, peoples and religions.“[10] In dieser metaphorischen Bedeutung spiegelt sich das multikulturelle Identitätsbewusstsein der Gesellschaft von Mostar und der Region wieder, das jegliche Grenzen und Zerstörung zu überbrücken vermag.

[1] Bogdan Bogdanovic: Architektur der Erinnerungen. Klagenfurt, Salzburg 1994. S. 139.

[2] Hans Koschnick, Jens Schneider: Brücke über die Neretva. Der Wiederaufbau von Mostar. November 1995. S. 8-9.

[3] Bogdanovic: Architektur, S. 138.

[4] Zit. nach Emily Gunzburger: Representing Multinational Bosnian Identity:The Bridge Metaphor and Mostar’s Stari Most. Paper presented at the conference

Con/De/Recon-struction of South Slavic Architecture

 History of Architecture and Urbanism Program, Cornell University,March 2001, URL:www.academia.edu/2211315/Bridge_Metaphor_and_Mostars_Stari_Most_Cornell_U_Ithaca_2001, S. 13,  (aufg.am 10.12.2019).

[5] Emily Gunzburger: Mostar’s Stari Most, URL: https://www.academia.edu/2211315/Bridge_Metaphor_and_Mostars_Stari_Most_Cornell_U_Ithaca_2001_, S. 13,  (aufg. Am 10.12.2019).

[6] Emily Gunzburger: Mostar’s Stari Most, URL: https://www.academia.edu/2211315/Bridge_Metaphor_and_Mostars_Stari_Most_Cornell_U_Ithaca_2001, S. 14,  (aufg.am 10.12.2019).

[7] Auch heute noch leben verstärkt die bosnischen Muslime im Ostteil und die bosnischen Kroaten im Westteil der Stadt Mostar

[8] Emily Gunzburger: Mostar’s Stari Most, URL: https://www.academia.edu/2211315/Bridge_Metaphor_and_Mostars_Stari_Most_Cornell_U_Ithaca_2001, S.17-18. (aufg.11.12.2019).

[9] Emily Gunzburger: Mostar’s Stari Most, URL: https://www.academia.edu/2211315/Bridge_Metaphor_and_Mostars_Stari_Most_Cornell_U_Ithaca_2001, S.17-18. (aufg.11.12.2019).

[10] Zit. nach Emily Gunzburburger: Mostar’s Stari Most, URL: https://www.academia.edu/2211315/Bridge_Metaphor_and_Mostars_Stari_Most_Cornell_U_Ithaca_2001, S. 21, (aufg.am 11.12.2019)

Mostar ist eine Stadt der Literaten, wie z.B. Jovan Ducic, Svetozar Corovic oder Hamza Humo, um hier nur ein paar bedeutende Dichterpersönlichkeiten zu nennen. Keiner aber hat die literarische Kulturlandschaft der Stadt Mostar so sehr geprägt wie der Dichter, Publizist und Schriftsteller Aleksa Santic. Santic wurde im Jahr 1868 in Mostar als Sohn einer reichen bosnisch – orthodoxen Kaufmannsfamilie geboren. In Ljubljana und Triest besuchte er die Handelsschule, ansonsten verbrachte er die meiste Zeit in seiner Heimatstadt Mostar. Als Vorstandspräsident war er in dem serbischen Musikverein Gusle in Mostar aktiv. Um das kulturelle Leben der Stadt zu verbessern, gründete er 1896 mit seinem Schriftstellerkollegen Svetozar Corovic das Kulturmagazin Zora. Santic war ein sehr erfolgreicher Schriftsteller und Dichter. Insgesamt schrieb er 715 Gedichte, sieben Theaterstücke und einige Prosastücke. Die wichtigsten sind zu nennen Ostajte ovdje (1896), Emina (1903), Hljeb (1906), Moja otadzbina (1908), aber auch viele andere. Er wurde stark von dem serbischen Dichter Jovan Jovanovic Zmaj, sowie Heinrich Heine, dessen Werke er übersetzte, geprägt.[1] Santic ist 1924 an einer Tuberkuloseerkrankung gestorben. Sein Grab befindet sich in Mostar, wo auch zu seinen Ehren im Stadt­zentrum ein Denkmal aufgestellt ist.
Am Berliner Kongress wurde Bosnien und Herzegowina offiziell unter die Ver­waltung der Habsburger Monarchie gestellt. Santics Wirken war gerade in der Zeit, als sich Bosnien und Herzegowina politisch und kulturell zu dieser Zeit im Um­bruch befand. Dies äußerte sich auch in seinen Werken. Viele seiner Schriften be­handelten die Themen aus dem sozialen und kulturellen Bereich und wurden von Heimatliebe und einem starken nationalen Gefühl begleitet. Seine Liebeslyrik sprühte jedoch von dem orientalischen Geist der Stadt und dem Leben muslimischer Frauen. So ist beispielsweise das Liebeslied Emina entstanden, in dem er seine hoffnungslose Liebe zu der Tochter eines Mostarer-Imam beschreibt. Das Gedicht wurde sehr bald als Volkslied in die bosnische Sevdalinka, als eine traditionelle Musikrichtung in Bosnien eingebettet, und wurde über Generationen weiter­ge­geben. Als Ausdruck kultureller Prägung, wird es heute immer noch von vielen Künstlern in verschiedenen Musikrichtungen interpretiert.

Stay here!… The sun that shines in a foreign place,
Will never warm you like the sun in your own;
The bread has a bitter taste there
Where one has no one, not even a brother.

Who would find a better mother than one’s own,
And your mother is this country;
Take a look upon the limestones and the field,
Everywhere are the graveyards of your great-grandfathers.

For this country they were noble giants,
Lights who knew how to defend it,
You, too, should stay in this country,
And give the fund of your blood for it.

As a deserted bough, when the autumn winds
Tear its leaves and slash it with ice;
Your motherland would be without you,
Like a mother crying for her child.

Do not let tears run down her face,
Return to it in the world’s embrace;
Live in order to be able to die
On its battlefield where glory comes to greet you!

Everybody knows and loves you here,
And nobody will recognize you there;
Even the barren limestones are better here
Than the flowers in the fields of a foreign place.

Everybody shakes your fraternal hand here –
In the foreign land, wormwood blooms for you;
For us, amongst the limestones, everything connects:
Name, language, brotherhood, and holy blood.

Stay here!… The sun that shines in a foreign place
Will never warm you like the sun in your own –
[2]

Das Gedicht  Ostajte ovdje- (Stay here) wurde  auf dem Titelblatt der ersten Aus­gabe der Zeitschrift Zora am 30.4. 1896 in Mostar abgedruckt und ver­öffent­licht[3], und wurde in serbokroatischer Sprache und kyrillischer Schrift verfasst. Es ist ein literarisch emotionaler Aufruf an seine Mitbürger, das eigene Heim und Herd nicht zu verlassen und in der Heimat zu bleiben. Das Gedicht wurde in Santics Anthologie aufgenommen, und sowohl in kyrillischer als auch lateinischer Schrift publiziert. Die vorliegende englischsprachige Übersetzung stammt aus dem Jahr 2006, aus der zweisprachigen Literaturzeitschrift Spirit of Bosnia, die von der Wittenberg Universität in den USA herausgegeben wird.[4]

Trotz seiner literarischen Größe, werden seine Werke im Hinblick auf seine nationale Agenda seit dem Jugoslawienzerfall einer Kritik unterzogen. Das Gedicht Stay here, dass 1896 veröffentlich wurde, muss im Zusammenhang der politischen Situation in Bosnien und Herzegowina verstanden werden. Der kulturelle Umbruch nach der Ankunft der Habsburgermonarchie stoß bei den in Mostar, seit Generationen lebenden Muslimen auf Unbehagen und Misstrauen auf. In unterschiedlichen zeitlichen Wellen folgte eine massenhafte Auswanderung der Muslime in die Gebiete des Osmanischen Reiches. Zudem war zu diesem Zeitpunkt die Welle der Nationalstaatsbewegung aus Europa auch zu den Balkanländern übergelaufen, woraus eine illyrische Bewegung entstand. Diese hatte die Vereinigung aller südslawischen Völker zum Ziel, ent­wickelte sich jedoch später in zwei unterschiedliche Strömungen, den Jugoslawismus und Kroatismus.
Zu seinem Gedicht schrieb Vera Javarek 1958, Santic habe in ehrlichem Mitgefühl über seine Mitbürger und deren unglückliches Schicksal unter der Regierung von Österreich – Ungarn, geschrieben.[5] Vasa Mihailovic schreibt 1988, Santic habe dieses Gedicht den bosnischen Muslimen, die nach der österreichischen Annexion massenhaft in die Türkei ausgewandert sind, gewidmet.[6] Der Aufsatz von Nihad Dostovic[7] diskutiert Santics Werk und seine Person im Kontext der nationalen und kulturellen Ausprägung auf dem Balkan, am Anfang des 19. Jahrhunderts. Nach Dostovic, drücke Santic in dem Gedicht keinen Ausdruck von Solidarität mit den Muslimen aus. Ebenso sei darin kein Aufruf zu ihrer Eingliederung in die serbische nationale Körperschaft, die zu dieser Zeit in Mostar stark ausgeprägt war, zu sehen. Er ist der Ansicht, dass für Santic die bosnischen Muslime irgendwann bosnische Serben gewesen seien, und er diese Abwanderung auf einer nationalen Ebene sähe. Die andere Option, die von Muslimen und Kroaten in Bosnien und Herzegowina, die sich mit Santics nationalen Agenda nicht identifizieren können, angenommen wird, er sei gegenüber sozial-schwachen Menschen sensibel gewesen.[8]
Ein weiteres Bild zu Santic, jedoch nicht zum Gedicht sondern zu seiner Person gibt Milos Crnjanski in einem Essey über das Bildniss des Aleksa Santic[S.M.][9], der im Jahr 1923 geschrieben wurde. Der Essey wurde im Jahr 1924 publiziert und später in den Sammelwerken von Milos Crnjanski im Jahr 1966 in Beograd ver­öffentlicht. Milos Crnjanski (1893-1977) war ein bedeutender serbischer Dichter und Schriftsteller, der zum Zeitpunkt seiner regelmäßigen Begegnung mit Santic in Mostar beim Militär stationiert war. Crnjanski schreibt, sie haben sich oft an der Neretva getroffen. Er wäre immer in schwarz angezogen, sei ziemlich still gewesen und würde nicht viel über Literatur sprechen. Er unterhielt sich gern über Reisen und die weite Welt, und habe die Schönheit des Lebens im Makrokosmos ge­sehen.[10] Insgesamt skizziert er ein sehr feines und würdevolles Abbild von ihm, deren ein melancholisches Dasein von einer unglücklichen und unerfüllten Liebe definiert wird. Crnjanski schreibt weiter,  manchmal habe er den Eindruck, dass Mostar ihm (Aleksa Santic) auf der Brust liege[…] und würde jeden Abend das gleiche Abbild vom Mondschein, dem blauen Gebirge und der türkischen Gräber sehen.[11]Von der Krankheit gezeichnet, wüsste er, dass er bald sterben würde,  und eines Abends, mit dem Blick in den Himmel, habe er ihm die 114 Sure aus dem Kur’an zitiert: „Ich suche nach einem Versteck…einem Versteck vor Bläsern und Verrätern, die in die Menschenbrust hineinblasen, einem Versteck vor dem Satan  und den Menschen“[12][S.M.]. Wenn man die Beschreibung Crnjanskis über die Person von Aleksa Santic in den Zusammenhang der Gedichtanalyse von Stay here setzt, lässt sich feststellen, dass daraus kein überhöhtes Nationalgefühl zu entnehmen ist. Es fällt vielmehr eine Verwachsung mit der Stadt auf, und eine tiefe Enttäuschung des Dichters, die womöglich auf seine unglückliche Liebe und das politische Klima nach den Kriegen am Anfang des 20. Jahrhunderts zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass zwischen der Gedichts- und der Esseyveröffentlichung fasst dreißig Jahre auseinander liegen. Selbst wenn Aleksa Santic eine ausgeprägte serbische Identität besaß, war sie nicht exklusiv, sie schloss die anderen Religionen in Bosnien und Herzegowina nicht aus. Diese Argumentation ließe sich mit der Idee des Jugoslawismus begründen, die, unabhängig der Religion, die Verschmelzung aller slawischen Nationen zum Ziel hatte. Auch die Tatsache, dass das Gedicht in betont serbischem Dialekt und auf Kyrillisch verfasst und veröffentlicht wurde, lässt kein ausgeprägtes nationales Identitätsmerkmal feststellen. Vierzig Jahre davor, im Jahr 1850 wurde in Wien durch Vuk Stefanovic Karadzic eine ge­mein­same serbokroatische Sprache mit beiden Schriften, Kyrillisch und Latein, kodi­fiziert, sodass in Bosnien und Herzegowina beide Schriften verwendet wurden.[13]Santic gelang es mit seinen Werken alle Nationalitäten zu erreichen. Seine Poesie war universell und den Menschen seiner Stadt gewidmet. Es lässt sich mit Sicherheit festhalten, dass er einer der größten Dichter des ehemaligen Jugoslawiens war. Obwohl die postjugoslawischen Republiken seit den 1990-er Jahren ihre nationale Unabhängigkeit besitzen, werden Santics Werke immer noch rezipiert und wurden nicht aus den Lehrplänen und Sammelwerken der jeweiligen Länder gestrichen.[14]


[1] Nihad Dostovic: Aleksa Santic: Stay here. In: Ahmet Ersoy, Maciej Górny , Vangelis Kechriotis (Hrsg.):  Modernism. The Creation of Nation-States.Budapest, New York 2010. S. 94-98.
[2] Literaturzeitschrift Spirit of Bosnia, URL: http://www.spiritofbosnia.org/about-spirit-of-bosnia/, (aufg.am 15.12.2019).
[3] Erste Ausgabe d. Zeitschrift Zora, URL: http://www.cidom.org/wp-content/uploads/2018/06/Časopis-Zora-1896.pdf (aufg.am 15.12.2019).
[4] Literaturzeitschrift Spirit of Bosnia, URL: http://www.spiritofbosnia.org/about-spirit-of-bosnia/, (aufg.am 15.12.2019).
[5]Zit. nach URL: http://www.spiritofbosnia.org/volume-1-no-4-2006-october/stay-here/, Zitat Vera Javarek 1958, (aufg.am 13.12.2019).
[6] Zit. nach URL: http://www.spiritofbosnia.org/volume-1-no-4-2006-october/stay-here/, Zitat Vasa Mihailovic 1988 (aufg.am 13.12.2019).
[7] Dostovic: Aleksa Santic, S. 94-98.
[8] Dostojevic: Aleksa Santic, S. 96-97.
[9] Milos Crnjanski: Slika Alekse Santica. In: Hamica Ramic (Hrsg.): Mostar. Moj grad. Sarajevo, Mostar 2016. S. 125-130.
[10] Crnjanski: Aleksa Santic, S. 128.
[11] Ebd., S. 129.
[12] Ebd., S. 130.
[13] Alojz Ivanisevic: Getrennt durch die „gemeinsame Sprache“. Sprache als Politikum in kroatisch-serbischen Beziehungen und Konflikten vor der Entstehung Jugoslawiens. In: Marija Wakounig, Wolfgang Müller, Michael Portmann (Hrsg.): Nation, Nationalitäten und Nationalismus im östlichen Europa. Festschrift für Arnold Suppan zum 65. Geburtstag. Wien 2010. S. 307-330, hier S. 309-310.
[14] Dostovic: Aleksa Santic, S. 97.